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Beitrag 12: Bewegung für die Seele – Die transformative Kraft von adaptivem Sport und Hobbys

Wenn der Körper plötzlich seine gewohnte Funktionsweise verliert, ist eine der häufigsten und schädlichsten Reaktionen der komplette Rückzug von jeglicher körperlicher Aktivität. Gedanken wie „Ich kann ja sowieso nichts mehr machen“ oder die Angst vor Verletzungen führen zu Passivität. Doch genau das Gegenteil ist der Schlüssel zu mehr psychischem Wohlbefinden: Bewegung. Adaptiver Sport und die Wiederaufnahme von Hobbys sind nicht nur ein Weg, den Körper fit zu halten, sondern eine kraftvolle Medizin für die Seele, die das Selbstbewusstsein wiederaufbaut und neue Lebensfreude weckt.

Mehr als nur Muskeln: Die psychologischen Effekte von Sport

Die positiven Effekte von Sport auf die Psyche sind wissenschaftlich gut belegt und gelten für Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen. Im Kontext des Rollstuhllebens haben sie jedoch eine ganz besondere Bedeutung:

1. Das Gefühl der Selbstwirksamkeit: Nach einem Ereignis, das einen mit Gefühlen der Hilflosigkeit und des Kontrollverlusts zurücklässt, ist Sport ein Weg, die Kontrolle zurückzugewinnen. Zu merken, dass man durch Training stärker wird, schneller mit dem Handbike fahren oder einen Basketball präziser werfen kann, ist ein unglaublicher Schub für das Selbstbewusstsein. Man erlebt sich selbst wieder als handelnde, fähige Person. Dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit überträgt sich auf alle anderen Lebensbereiche.

2. Die natürliche „Glückspille“: Bei körperlicher Anstrengung schüttet der Körper Endorphine, Serotonin und Dopamin aus. Diese Neurotransmitter wirken wie natürliche Antidepressiva und Stimmungsaufheller. Regelmäßiger Sport kann nachweislich helfen, depressive Symptome zu lindern, Ängste abzubauen und Stress zu reduzieren.

3. Ein neues, positives Körpergefühl: Anstatt den Körper nur als Quelle von Schmerz und Einschränkung wahrzunehmen, erfährt man ihn im Sport als Quelle von Kraft und Leistung. Man lernt, seinem Körper wieder zu vertrauen und ihn wertzuschätzen. Man spürt die Muskeln arbeiten, den Puls rasen und fühlt sich lebendig. Dies kann helfen, ein negatives Körperbild zu überwinden.

4. Gemeinschaft und Zugehörigkeit: Besonders Teamsportarten wie Rollstuhlbasketball, Rollstuhlrugby oder Para-Eishockey sind ein unschätzbarer Katalysator für soziale Integration. Man ist Teil eines Teams, verfolgt gemeinsame Ziele, feiert Erfolge und tröstet sich bei Niederlagen. Man findet Freunde, die die eigene Situation verstehen, ohne dass man viel erklären muss. Der Rollstuhl wird zur Normalität, er ist einfach Teil des Spiels.

Die Vielfalt der Möglichkeiten

Die Welt des adaptiven Sports ist riesig und vielfältig. Es ist ein Mythos, dass es nur wenige Optionen gibt. Für fast jede Vorliebe und jedes Fitnesslevel gibt es eine passende Aktivität:

  • Für Teamplayer: Rollstuhlbasketball, Rollstuhlrugby, Para-Eishockey, Rollstuhl-Handball.
  • Für Ausdauer-Fans: Handbiken, Rennrollstuhlfahren, Para-Schwimmen, Para-Rudern.
  • Für Naturfreunde: Touren mit geländegängigen Handbikes oder Zuggeräten, adaptives Segeln, Para-Klettern.
  • Für Kraft- und Kampfsportler: Para-Powerlifting (Bankdrücken), adaptive Kampfkünste, Rollstuhl-Fechten.
  • Für ruhigere Gemüter: Rollstuhl-Yoga, Rollstuhl-Tai-Chi, Bogenschießen, Boccia.

Hobbys: Die Nahrung für die Seele

Neben dem Sport ist auch die (Wieder-)Aufnahme von Hobbys entscheidend. Es geht darum, Aktivitäten zu finden, die Freude bereiten und in denen man aufgehen kann (Flow-Zustand). Viele Hobbys lassen sich wunderbar anpassen: Gärtnern in Hochbeeten, Malen oder Zeichnen an einem speziellen Tisch, Fotografie, das Erlernen eines Musikinstruments, Kochen in einer barrierefreien Küche oder die Beschäftigung mit Strategiespielen. Diese Aktivitäten strukturieren den Tag, fördern die Kreativität und lenken von Sorgen und Schmerzen ab. Sie sind eine bewusste Entscheidung für die Lebensfreude.

Wie fange ich an?

Der erste Schritt ist oft der schwerste. Hier ein paar Tipps für den Einstieg:

  • Reha-Sport-Gruppen: Viele Vereine bieten Reha-Sport an, der von den Krankenkassen bezuschusst wird. Dies ist ein idealer, niederschwelliger Einstieg.
  • Behindertensportverbände: Die nationalen und regionalen Behindertensportverbände sind die besten Anlaufstellen, um Vereine und Sportangebote in der Nähe zu finden.
  • Einfach ausprobieren: Viele Vereine bieten Schnupperstunden an. Man muss nicht sofort zum Profi werden. Es geht darum, Spaß an der Bewegung zu finden.
  • Klein anfangen: Es muss nicht gleich der Marathon sein. Eine tägliche 15-minütige Runde mit dem Rollstuhl an der frischen Luft ist ein großartiger Anfang.

Sich wieder zu bewegen und Hobbys zu pflegen, ist eine aktive Entscheidung gegen die Passivität und Resignation. Es ist die Botschaft an sich selbst: „Mein Leben ist nicht vorbei. Es ist anders, aber es ist voller Möglichkeiten für Freude, Leistung und Gemeinschaft.“ Diese Erkenntnis ist eine der stärksten Säulen für eine stabile psychische Gesundheit.

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