6. Das Darmmanagement: Ein fragiles Gleichgewicht
Für Menschen mit Tetraplegie ist ein funktionierendes Darmmanagement der Schlüssel zu Lebensqualität, sozialer Teilhabe und Gesundheit. Es ist ein über Jahre und Jahrzehnte mühsam aufgebautes System aus Routine, Ernährung, Medikamenten und Techniken. Dieses System ist auf Regelmäßigkeit und Vorhersehbarkeit ausgelegt. Ein plötzlicher, spastik-induzierter „Unfall“ ist deshalb so viel mehr als nur eine Unannehmlichkeit. Er ist ein Angriff auf das Fundament dieses Systems. Er durchbricht die Routine und kann das Vertrauen in die eigene Planung erschüttern. Wenn die Darmentleerung unkontrolliert und zu einem unvorhergesehenen Zeitpunkt stattfindet, gerät der gesamte Rhythmus durcheinander. Die nächste geplante Entleerung ist unsicher, die Angst vor Wiederholung wächst. Ein starker Spasmus kann das fragile Gleichgewicht des Darms für Tage stören. Es kann zu nachfolgender Verstopfung kommen, weil der Darm „leer“ ist, oder zu anhaltenden Krämpfen und Blähungen. Das Ziel des Darmmanagements ist es, Souveränität über den eigenen Körper zurückzuerlangen. Ein Ereignis, das einem diese Souveränität abrupt entreißt, ist daher nicht nur ein physisches, sondern auch ein tiefes emotionales Problem. Die Anerkennung, dass externe Faktoren wie eine unkontrollierbare Spastik dieses System stören können, ohne dass man selbst einen Fehler gemacht hat, ist entscheidend, um den Mut nicht zu verlieren und die Routine geduldig wieder aufzubauen.
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